Testamentsvollstreckung
Nach dem deutschen Erbrecht ist der Erbe Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers (§ 1922 BGB). Der Erblasser kann durch Vermächtnisse, Teilungsanordnungen, Auseinandersetzungsverbote, Einsetzung von Nacherben, Auflagen, Verwirkungs- und Strafklauseln allerdings noch auf den Nachlass einwirken. Insbesondere durch die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers kann er seinen Willen durchsetzten: der Erbe wird dann zwar Rechtsträger (Eigentümer) des Nachlasses, die rechtliche Herrschaft darüber hat aber der Testamentsvollstrecker. Problematisch ist, ob die Ziele des Erblassers durch eine Vollmacht besser erreicht werden können.
- Vorteile der Testamentsvollstreckung
- Durchsetzung des Erblasserwillens noch über seinen Tod hinaus.
Beispielsweise kann der Erblasser 30 Jahre lang die Erbteilung (ganz oder teilweise) ausschließen (§ 2044 II BGB) und zur Überwachung einen Testamentsvollstrecker einsetzen. - Sicherung der Erfüllung von Vermächtnissen, Auflagen.
Werden Vermächtnisse angeordnet, sind die Begünstigten auf den guten Willen der Erben angewiesen, wenn sie nicht prozessieren wollen. Wer seinen Erben zur Auflage macht, das Grab 30 Jahre lang aufwendig zu pflegen, ist faktisch auf den guten Willen der Erben angewiesen; wollen sie das Geld sparen, geschieht nichts (§ 2194 BGB ist nur ein schwacher Schutz). Ein unabhängiger Testamentsvollstrecker dagegen sichert in der Regel die problemlose Erfüllung. - Vereinfachung der Verwaltung des Nachlasses, wenn z. B. mehrere Erben vorhanden sind, einige vielleicht sogar im Ausland wohnen.
Dies ist meines Erachtens eine wichtige Funktion der Testamentsvollstreckung. Beispiel: Der Erblasser E ist von seinen vier Kindern beerbt worden. Sie bilden eine Erbengemeinschaft und verwalten den Nachlass gemeinschaftlich (§ 2038 I BGB). Notfalls muss mit Stimmenmehrheit entschieden werden (§§ 2038 II, 745 BGB), bestimmte Maßnahmen kann jeder Erbe allein treffen (§ 2038 I 2 BGB). Eine vernünftige Nachlassverwaltung durch eine Erbengemeinschaft ist in der Praxis oft nicht möglich. Die Probleme werden fast unlösbar, wenn zahlreiche Erben vorhanden sind, die nur kleine Anteile am Nachlass halten, an verschiedenen Orten wohnen und sich nicht auf einen gemeinsamen Bevollmächtigten einigen können, vor allem wenn verfeindete oder untereinander nicht bekannte Stämme zu einer Erbengemeinschaft verbunden sind. - Vereinfachung der Auseinandersetzung, weil sie von einem objektiven Testamentsvollstrecker durchgeführt wird (§ 2204 BGB), nicht von den Erben.
- Schutz des Nachlasses vor den Erben, die geschäftlich unerfahren (oder böswillig) sind; denn bei Anordnungen der Testamentsvollstreckung wird der Nachlass und eventuell auch die Erträge von einem Testamentsvollstrecker verwaltet, nicht aber von den Erben.
- Sicherung der Unternehmensnachfolge, weil der Testamentsvollstrecker den Nachlass verwaltet, z. B. bis die Enkel das Geschäft übernehmen können.
- Überflüssigkeit vormundschaftsgerichtlicher Genehmigungen
Beispiel: E wird von seiner Frau und zwei minderjährigen Kindern beerbt. Die Witwe verwaltet dann während der Minderjährigkeit das Erbe der Kinder; zu bestimmten Verfügungen braucht sie die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts (§§ 1643, 1821, 1822 BGB). Hatte E dagegen seine Frau zur Testamentsvollstreckerin bestellt, entfallen diese Genehmigungen; doch muss wegen der Entgegennahme des von der Witwe zu erstellenden Nachlassverzeichnisses (§§ 2215, 1640 BGB) nach hM (Rz 357) ein Ergänzungspfleger nach § 1909 BGB bestellt werden. - Erschwerung des Zugriffs der Gläubiger eines Alleinerben auf den Nachlass. Beispiel: E hinterlässt drei volljährige Kinder; eines davon (A) ist schwer verschuldet. Wenn A die Erbschaft ausschlägt, haben die Gläubiger des A keinen Zugriff auf den Nachlass (aber A hat auch keine Erbschaft!). Wenn A die Erbschaft annimmt, können die Gläubiger in das geerbte Vermögen vollstrecken. Wenn E für den 1/3-Anteil des A einen Testamentsvollstrecker bestellt, können die Gläubiger des A nicht in Nachlassgegenstände vollstrecken. (Rz 619 ff)
- Durchsetzung des Erblasserwillens noch über seinen Tod hinaus.
- Nachteile der Testamentsvollstreckung
- Die Machtfülle des Testamentsvollstreckers entwertet den Nachlass für die Erben weitgehend, wenn die Testamentsvollstreckung lange Zeit dauert. Der Testamentsvollstrecker hat eine freie Stellung gegenüber den Erben; er verwaltet den Nachlass (§ 2205 BGB), kann Verbindlichkeiten für den Nachlass eingehen (§§ 2206, 2207 BGB). Sogar eine Dauervollstreckung ist möglich (§§ 2209, 2210 BGB). Die Erben können über die Nachlassgegenstände nicht verfügen (§ 2212 BGB). Der Testamentsvollstrecker bewirkt die Auseinandersetzung (§§ 2204 BGB). Der Erbe bekommt lediglich ein Nachlassverzeichnis (§ 2215 BGB) und jährliche Rechnungslegung (§ 2218 BGB). Er hat den Anspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung (§ 2216 BGB), was ein weiter, unbestimmter Begriff ist, der viele Ungeschicklichkeiten abdeckt. Der Erbe hat ferner Anspruch auf Schadenersatz (§ 2219 BGB), aber bis zur Auseinandersetzung bekommt er nicht unbedingt Geld oder Nachlassgegenstände.
- Der Testamentsvollstrecker unterliegt keiner Kontrolle des Nachlassgerichts. Er muss die Erben vor seinen Maßnahmen nicht unbedingt fragen. Die Erben sind auf Schadensersatzansprüche angewiesen, können während der Verwaltung allenfalls zivilrechtlich gegen den Testamentsvollstrecker vorgehen, wenn er den Nachlass mangelhaft verwaltet.
- Der Testamentsvollstrecker erhält aus dem Nachlass eine Vergütung, die bei Dauervollstreckung oft die Erträge aufzehrt. Schließt der Erblasser die Vergütung aus, findet sich kaum jemand, der die Arbeit zuverlässig macht, dafür haftet und nichts bezahlt bekommt. Die Vergütung verleitet den Testamentsvollstrecker bei großen Nachlässen dazu, an seinem Amt kleben zu bleiben, weil ihm das Amt u. U. Ein lebenslanges Einkommen sichert.
- Bei Dauervollstreckung wird der (pflichtteilsberechtigte) Erbe oft gut beraten sein, wenn er die testamentarisch hinterlassene und mit Testamentsvollstreckung belastete Erbschaft ausschlägt und statt dessen seinen (unbelasteten) Pflichtteil verlangt (§ 2306 BGB; Rz 28 ff). Dann hat er zwar nur die Hälfte des „Nachlasses“ erlangt, kann jedoch sofort auf seinen Anteil und die Erträge des Pflichtteils zurückgreifen; rechnet man die Vergütung des Testamentsvollstreckers für 30 Jahre hoch und die Erträge es Pflichtteils dagegen, ist die Ausschlagung meist günstiger.
- Das Amt des Testamentsvollstreckers beginnt erst mit der Annahme (§ 2202 BGB). Es können deshalb Wochen und Monate vergehen, in denen der Nachlass ohne verfügungsberechtigte Person ist; denn die Erben dürfen nicht verfügen (§ 2211 BGB). Hier kann durch eine Vollmacht geholfen werden (Rz 14).
Quelle: Nach Dr. Walter Zimmermann: Die Testamentsvollstreckung, 3., überarbeitete Auflage 2008, Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Erich Schmidt Verlages.